Quelle: Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon,
Band X (1995) Spalten 1559-1561
Verlag: Traugautt Bautz, Herzberg -
Verfasser: Gerhard Kaller (1999)
Bild: Thomas Ruska (2002)
Professor
der Theologie und kath. Volksschriftsteller, * 3.2. 1808
in Bühl, + 16.10. 1883 in Freiburg/Br. - St. ist der
Sohn des örtlichen Apothekers. Bei der sehr
kinderreichen Familie kam eine Übernahme der
Apotheke für ihn nicht in Frage. Er begann daher
nach dem Abitur in Rastatt das Studium der
Rechtswissenschaft in Freiburg, wechselte aber schon nach
wenigen Monaten zur kath. Theologie. Das Fach war damals
stark von Rationalismus geprägt. Einige Professoren
bezweifelten die Autorität des Papstes oder die
Notwendigkeit des Zölibats. Im Glauben unsicher
geworden, ging er Ende 1830 an die evangelisch
geprägte Universität Heidelberg und studierte
Philologie, Pädagogik und Literatur. Ein
Gottesdienst in der Weihnachtszeit 1831 führte zu
einem Bekehrungserlebnis. Er faßte den
Entschluß Priester zu werden, kehrte nach Freiburg
zurück, trat in das Priesterseminar ein und empfing
im August 1833 die Priesterweihe. Er wurde Vikar in
Rotenfels und später in Neusatz. Nach der 2.
Prüfung im Herbst 1841 wurde er 1842-43
Religionslehrer am Gymnasium in Bruchsal. Hier erschien
der erste von ihm verfaßte Kalender der Reihe
»Für Zeit und Ewigkeit« mit dem Titel
»Mixtur gegen Todesangst«. Im Jahr 1842 wurde
er Repetitor am Collegium Theologicum in Freiburg, 1845
dessen Direktor. Im gleichen Jahr promoviert er mit einer
Arbeit über die katechetische Auslegung des
Freiburger Diözesankatechismus. Zwei Jahre
später erhielt er den Lehrstuhl für
Pastoraltheologie und Pädagogik ander
Universität und wurde 1848 ordentlicher Professor.
Er war 1859-60 Prorektor der Universität, erhielt
1865 die Ehrendoktorwürde der Universität Wien
und 1868 den Titel geistlicher Rat. Mehr als seine
Lehrtätigkeit machten ihn seine zahlreichen
Bücher, Kalender und Einzelartikel bekannt. Sein
fünfzigjähriges Priesterjubiläum wurde
noch groß gefeiert, doch verstarb St. zwei Monate
später an den Folgen einer Lungenentzündung. Er
wurde in Brühl bestattet.
Die
Bedeutung von St. liegt weniger in seiner
Lehrtätigkeit als Professor an der Universität
Freiburg als an seinem großen Erfolg als
volkstümlicher katholischer Schriftsteller. Im Jahr
1843 erschien anonym ein »Kalender für Zeit und
Ewigkeit für das gemeine Volk und nebenher für
geistliche und weltliche Herrenleute«, den der
Verleger Villinger zunächst wieder zurückziehen
wollte, da er heftige Kritik auslöste. Der Kalender
wurde später ein Riesenerfolg; er erzielte über
30 Auflagen und wurde von anderen Verlagen nachgedruckt
und auch in evangelischen Gebieten vertrieben. Neben den
illustrierten Ausgaben kamen auch billige Volksausgaben
der Kalender heraus, manche Werke erschienen als
Einzelausgaben und im Rahmen des Kalenders, so St.
bekanntestes Buch »Die hl. Elisabeth«. Die
schriftstellerische Produktion von St. war sehr
groß. Seine weiten Reisen fanden ihren Niederschlag
in entsprechenden Büchern etwa über Spanien,
die Türkei und das Heilige Land. Viele seiner Werke
wurden auch in fremde Sprachen übersetzt. Er
führte umfangreiche Briefwechsel und ein Tagebuch.
Schon ein Jahr nach seinem Tode erschien eine erste
Biographie; sein Name ist in den wichtigsten
biographischen Sammelwerken verzeichnet. Mehrere
Dissertationen beschäftigen sich mit seinem Werk.
Sein Nachruhm reicht bis in die Mitte ds 20.
Jahrhunderts. Erst ein nach dem 2. Weltkrieg aufkommendes
gewandeltes Verständnis von Glauben und Religion
ließ die Publikationen nach 1960 langsam
versiegen.
Werke:
Gesammelte Werke, 21 Bde., Freiburg 1910-132; Gesammelte
Werke, Volksausgabe, 14 Bde., Freiburg 1920-272;
Zusammenstellung aller Werke von St. bei Julius Mayer,
Alban Stolz, Freiburg 1921, 605-615.
Lit.:
Zusammenstellung der Nachrufe in ZGO 38, 1885, Badische
Geschichtsliteratur S. XIII; - Zusammenstellung aller bis
1959 erschienenen Literatur in Bibliographie der
badischen Geschichte, Bd. 6, bearb. von Werner Schulz,
Stuttgart 1973, 575-578; - Karl Heinz Jutz, Der
Bühler Kalendermann St. und seine Neusatzer Zeit,
in: Bühler Blaue Hefte 19, 1968, 53-58; - Theodor
Humpert, St. in Rotenfels, in: Um Rhein und Murg 1, 1961,
132-136; - Wolfgang Leiser, Zwei Kalendermänner und
eine Zeit: St. und Albert Bürklin, in: Alem. Jb.
1973/75, 420-433; - Badische Biographien IV, 421-424; -
ADB 36, 454-460; - LThK2 IX, 1993-94.